body of water under blue and white skies
Inspirationen Geist, Geist-Wissen

Meditation – schlafe ich, oder wache ich?

Alle, die z.B. in einer Yogastunde “Meditation” üben, kennen das: Manchmal fällt man selbst, oder die Nachbarin / der Nachbar fällt in einen süßen Kurzschlaf. Und am Ende der heutigen Yogastunde durften wir eine Teilnehmerin mit einem sanften Mantragesang wecken…

War das ein “Powernapp”? Das Ergebnis eines turbulenten Tages und der ruhigen Yogastunde danach (der wohlverdiente Schlaf)? Ein paar Gedanken zur Einschätzung, beruhend auf Patanjalis 8 Schritten (die letzten drei – in fett):

  1. Yamas – der Umgang mit der Umwelt
  2. Niyamas – der Umgang mit sich selbst
  3. Asanas – der Umgang mit dem Körper
  4. Pranayama – der Umgang mit dem Atem, Lebensenergie
  5. Pratyahara – der Umgang mit den Sinnen, Aufmerksamkeit nach Innen
  6. Dharana – Konzentration
  7. Dhyana – Meditation
  8. Samadhi – Verschmelzung mit dem Höheren

Meditation ist keine Übung, sondern ein Zustand, den wir vor allem durch Entspannungs- und Konzentrationsübungen erreichen können. Persönlich leite ich das in der Endentspannung so an: Progressive Muskelentspannung und Bodyscan. Konzentrierte Vorstellungen, die den Körper maximal ruhig und “schwer” werden lassen – er schläft. Dann maximale Konzentrationsübungen, die dann rasch komplett losgelassen werden. Unser Geist heftet sich an keine Vorstellung mehr. Er fließt losgelöst in die Weite und in die Stille, heftet sich nicht an Empfindungen oder Tagträume – das kann durchaus passieren. Verweilt unser Geist in dieser Stille, öffnet sich das Tor zum Zustand der Meditation.

Am Tor oder am Übergang folgen drei (mir bekannte) Türen – dass vollzieht sich zunächst unwillkürlich und nur die Übung, Gewöhnung und die Begleitung hilft, der “Wille” jedenfalls nicht:

  1. Emotionale und/oder Gedankliche Muster stellen sich ein – wir bleiben gebunden: Manchmal tauchen Gedanken auf, Gefühle oder innere Bilder. Es kann ein spannender Zustand sein, ähnlich dem “luzidem Träumen”. Dieser Zustand kann leider auch unangenehm sein, besonders bei Traumapatienten, die hier unbedingt eine genauere Anleitung (und Auswege) für diesen Zustand kennen lernen sollten: Bitte ansprechen! Persönlich kenne ich das Gefühl der neugierigen, erwartungsvollen Anspannung (da meldet sich der Wille). Egal, wie intensiv es läuft – der Geist bleibt gebunden. Immerhin: Du hast die Tür gefunden.
  2. Wir schlafen ein, weil Körper und Geist dieses “Herunterfahren” kennen (oder im Moment wirklich brauchen). Macht ja nichts, wenn uns die Anderen mit ihrem “Om” am Ende der Yogastunde zurückholen. Der “Schlaf der Yogis” hat eine besondere Qualität. Immerhin: Du hast die Tür gefunden.
  3. Wir betreten diesen Schlaf bewusst und aufmerksam – unser Geist hält einen gewissen energetischen Zustand bei und fällt nicht in “Morpheus'” Arme. Das ist der Zustand der Meditation – freie und ungebundene Aufmerksamkeit. Du hast die Tür geöffnet. Wenn wir diesen Zustand längere Zeit (aus-)halten können (und oft erleben wir, wie Emotionen und Gedanken den inneren Raum wieder füllen), geht er über in “Samadhi”, dem Ziel des Yoga.

Der meditative Zustand ist auch für den Alltag sehr verheißungsvoll: “Sind alle anderen wach, schläft der Yogi. Schlafen alle anderen, ist der Yogi wach“. “Wachsein und Schlafen” heißt dabei “unverhaftet aufmerksam”, nicht im Alltag gebunden, ruhend und wach zugleich. Entspannt und Handlungsfähig…

Wer mit diesem Blick die christliche Tradition durchsieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus: “Der Herr gibt’s den Seinen im Schlaf…” (Psalm 127) oder “Wachet und Betet…” (Mt 26, 41).